Kyritz. Es ist dunkel, stockdunkel. Immer wieder sind laute Geräusche zu vernehmen. Scheinbar kriechen mehrere Personen durch den Raum. Es poltert, es knallt. Doch es ist nichts zu erkennen. Und plötzlich: Da sind zwei leuchtende Helme. Die Helme zweier Feuerwehrleute. Die beiden Männer aus Wusterhausen, die gerade ihren jährlichen Übungslauf in der Feuerwehrtechnischen Zentrale in Kyritz absolvieren, befinden sich in einem Käfig. So würde es der Laie bezeichnen. Immer wieder sind die Geräusche der Atemschutzgeräte zu vernehmen.
Das Ein- und Ausatmen der Brandschützer kling beinahe gruselig, es erinnert an einen Science Fiktion Film. „Redet miteinander, helft euch gegenseitig“, sagt Ralf Leppin mit lauter Stimme. Der stellvertretende Kreisbrandmeister des Landkreises Ostprignitz-Ruppin überprüft die Teilnehmer des Laufes an diesem Abend. „Komm, da passt du mit deinen Flaschen durch“, sagt plötzlich eine Stimme im Dunkeln, „ ich habe es auch geschafft.“
Im Normalfall sehen sich die Mitglieder der Feuerwehren der einzelnen Städte, Ämter oder Gemeinden des Landkreises mindestens einmal im Monat – meist sogar öfter. Doch wegen der Corona-Pandemie werden seit Monaten die Ausbildungen abgesagt oder nur eingeschränkt angeboten. Auf eine Überprüfung konnte trotz immer noch anhaltender Pandemie nicht verzichtet werden: Der jährliche Übungslauf der Atemschutzgeräteträger ist auch in Corona-Zeiten Pflicht.
Doch warum ist diese Überprüfung wichtiger als jede andere Ausbildung? Eine Antwort darauf gibt Ralf Leppin. Damit eine Feuerwehr wirklich einsatzbereit ist, muss dieser Test stattfinden. „Ich möchte es eigentlich nicht so formulieren“, sagt Ralf Leppin, „ich denke jedoch die Position, die ein Atemschutzgeräteträger einnimmt, ist die gefährlichste.“
Drei Dinge muss ein Brandschützer erfüllen, damit er die Position des Angriffstrupps im Einsatz einnehmen kann und unter Atemschutz etwa in ein verqualmtes Gebäude gehen darf: Das Feuerwehrmitglied muss die entsprechende Ausbildung zum PA-Träger erfolgreich abgeschlossen haben, eine gültige arbeitsmedizinische Untersuchung vorweisen und jährlich einen Übungslauf absolvieren und diesen bestehen. So steht es in der Dienstvorschrift. Ohne diese Nacweise verliert der PA-Träger seine Lizenz und darf im Einsatzfall diese Position nicht mehr einnehmen. Dmit dieser Fall nicht eintritt, absolvieren zehn Brandschützer der Gemeinde Wusterhausen ihren Übungsablauf am 15. Dezember – nach Feierabend in der Feuerwehrtechnischen Zentrale in Kyritz.
„Wir reden hier nicht nur über Atemschutzgeräteträger und die Gefahren“, betont es Ralf Leppin, „wir reden hier über die Gesundheit unserer Kameraden.“ Es ginge bei diesem Thema sogar um Leben und Tod, fügt der Vize-Kreisbrandmeister hinzu. Schließlich gehen die Männer und Frauen da hinein, wo andere rausrennen – ins Feuer und in den dicken schwarzen Qualm.
Zwei bis drei Atemzüge des Rauches genügen und ein Mensch kann an einer Rauchgasvergiftung sterben. Aus diesem Grund müssen sich Atemschutzgeräteträger mit einer zusätzlichen Ausrüstung schützen. Sie tragen im Einsatz ein spezielles Gerät mit eigener Atemschutzmaske und Atemluft, die in Stahlflaschen abgefüllt ist. Diese Ausrüstung wiegt an die 18 Kilogramm. Dazu kommt die Schutzkleidung.
Wegen der Corona-Pandemie musste ein spezielles Hygienekonzept für die Übungsläufe erstellt werden. Zehn Personen pro Termin sind zugelassen, damit der geforderte Mindestabstand eingehalten werden kann. In Zweier- oder Dreiergruppen wird der Test absolviert. Der deutliche Mehraufwand für die Kreisausbilder zeigt sich in Zahlen: Insgesamt 42 Durchgänge sind es in diesem Jahr. Sonst sind es nur halb so viele.
Es wird strengstens darauf geachtet, dass es keine Vermischung zwischen den Städten, Ämtern und Gemeinden des Landkreises gibt. Jede Feuerwehr macht den Lauf für sich. So wurde sichergestellt, dass im Fall einer Corona-Erkrankung nur eine Feuerwehr im Kreis betroffen wäre. Schließlich steht die Einsatzbereitschaft der Wehren an oberster Stelle.
Die komplette Ausrüstung besteht aus schweren Stahlflaschen mit Atemluft gefüllt, dem Tragegestell, verschiedensten Schläuchen und Anschlüssen sowie einer Atemschutzmaske und einer Flammschutzhaube – dazu kommt die persönliche Schutzbekleidung aus Schutzanzug, entsprechendem Schuhwerk und Helm.
Mit dieser über 20 Kilogramm schweren Last absolviert jeder zuerst den Sporttest. Für mehrere Minuten geht es auf ein Laufband, auf die endlose Leiter oder das Fahrrad. Normalerweise wird dabei der Puls jedes einzelnen Teilnehmers ständig überwacht. Sollte dieser auffällig hoch sein, ist der Test an dieser Stelle bereits beendet. „Die Gesundheit geht vor“, betont Leppin.
Wegen der Corona-Pandemie wird aus hygienischen Gründen aktuell darauf verzichtet. Dennoch ist die physische Verfassung eines Brandschützers wichtig. Schnellt der Puls zu sehr in die Höhe, kann das fatale Folgen für die Gesundheit bedeuten und gleichzeitig für andere. Ein Kreislaufzusammenbruch kann im Ernstfall den Tod bedeuten. „Das wollen wir nicht“, sagt Leppin.
Die Mitglieder der Wusterhausener Feuerwehr kommen bei ihrem Sporttest richtig ins Schwitzen. Deutlich sind ihre Atemgeräusche vernehmbar. Die Atemzüge werden schneller und lauter. Regelmäßig wird der Druck in den Flaschen kontrolliert. „Ich habe noch 140 Bar“, heißt es von einem Feuerwehrmann. Das sollte genügend Luft für die nächste Aufgabe sein, zumindest ist sich Peter Wolter da ziemlich sicher.
Er ist an diesem Abend einer der Prüfer neben Ralf Leppin. Er erklärt zudem, dass bei diesem Test keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen gemacht werden. „Frauen tragen die gleiche Ausrüstung und machen die gleichen Übungen“, sagt Peter Wolter. Im Ernstfall muss eine Frau das leisten wie ein männlicher Kollege. Etwa einen verletzten Brandschützer aus der Gefahrenzone ziehen. „Das kann schwer werden“, meint Wolter. Doch die Feuerwehrfrauen beweisen sich immer öfter – auch unter Atemschutz.
Im Anschluss folgt die „Orientierungsstrecke“, der große schwarze Käfig mit seinen Röhren, Türen, Seilen, engen Stellen und vielen verschiedenen Hindernissen. Dazu ist es dunkel. Nicht einmal eine Taschenlampe dürfen die Brandschützer als Hilfsmittel verwenden. Quasi blind bewegen sich die Brandschützer mit Händen, Füßen und vollem Körpereinsatz vorwärts.
Bei dichtem Qualm sei die Sicht auch gleich Null, erklärt Ralf Leppin, „da müssen die Kameraden auch Wege finden und als Team arbeiten“. Eine wichtige Lektion, die Ralf Leppin immer wieder seinen Prüflingen zuruft. Die schlechte Sicht, die Enge und scheinbare Orientierungslosigkeit sind eine enorme psychische Belastung.
Die muss ein PA-Träger aushalten. Genau wie die physische Belastung. Nicht selten löst das Panik aus. Oft reißen sich die Betroffenen bei Panikattacken dann die Maske vom Gesicht – das bedeutet Lebensgefahr. „Bei so einer Übung ist das kein Problem“, meint Ralf Leppin, „im richtigen Einsatz kann es den Tod bedeuten.“ Die Feuerwehrleute sollen an ihre Grenzen geführt werden. Wer es aushält, ist als PA-Träger geeignet. Für die zehn Mitglieder der Wusterhausener Feuerwehr stellt die Übungsstrecke kein Problem dar. Alle haben den Test bestanden und dürfen ein weiteres Jahr als Atemschutzgeräteträger Feuerwehreinsätze bestreiten. Am Ende hatten alle noch genügend Luft in der Flasche. Insgesamt dauert eine solche Überprüfung 20 bis 25 Minuten. Solange werden die Brandschützer auch im Einsatz mit Atemschutzgerät eingesetzt.
„Ohne genügend einsatzbereite Atemschutzgeräteträger ist eine Feuerwehr nicht richtig einsatzbereit“, erklärt Ralf Leppin. „Das müssen wir verhindern.“ Aufgrund der ausgefallenen Ausbildungen zum PA-Träger, alle coronabedingt, haben die Feuerwehren viele zusätzliche Atemschutzgeräteträger verloren. „Das holen wir nie mehr auf“, betont Ralf Leppin. Dennoch sind die Ausbilder positiv eingestellt. Ausbildungstermine für das kommende Jahr sind bereits geplant – jedoch mit wesentlich weniger Teilnehmern.